Wie Giftsätze unseren Alltag beeinflussen

„Ich muss mich anstrengen“, „Ich darf nicht ausruhen“, „Ich kann keine Schwäche zeigen“: Wie du mit einer einfachen Übung lernst, solche Giftsätze zu hinterfragen – und selbstbestimmter leben.

Eigentlich weiß man, dass es Zeit wäre, einen Gang herunterzuschalten. Nein zu sagen, sich eine Pause zu gönnen. Und doch arbeiten vielen Menschen wie getrieben immer weiter. Hinter einem solchen Verhalten stecken häufig negative Überzeugungen, die einen schon ein Leben lang begleiten. Wie solche „Giftsätze“ schaden und wie du sie mit einer einfachen Übung hinterfragen kannst steht im weiteren Verlauf.

Was sind Giftsätze?

Vielleicht kennt ihr die negativen Glaubenssätze. Diese finde ich jedoch für den Akutfall nicht passend in der Anwendung. Der Begriff der Giftsätze, da sie tatsächlich das für uns sind, was im Wort steht, also Gift- Sätze, vor allem für unser psychisches Gleichgewicht.

Wir tragen – meistens durch biografische Erfahrungen – eine Reihe von gnadenlosen Überzeugungen mit uns herum, von denen wir meinen, dass sie für alle Situationen und über alle Zeit gelten. Bisher sind wir damit auch gut und zum Teil auch erfolgreich umgegangen. Auf Dauer tut das jedoch niemandem gut. Typische Giftsätze sind etwa „Ich muss mich anstrengen“ oder „Ich darf nicht faul sein.“

Ich möchte euch mit den nächsten Zeilen einen ersten Überblick über den Umgang mit Giftsätzen geben, dafür hier eine einfache Übung, welche ich in der Praxis mit den Klient:innen mache:

Wie funktioniert die Giftsätze-Übung?

  1. Schritt: Vorbereiten

Notiere auf einem leeren Blatt Papier die folgenden Satzanfänge:

„Ich muss …“

„Ich darf nicht …“

„Ich kann nicht …“

  1. Schritt: Giftsätze aufspüren

Überleg dir, ob es Regeln gibt, die du verinnerlicht hast. Ergänze die Satzanfänge entsprechend. Das können ganz unterschiedliche, mehr oder wenige gnadenlose Imperative sein, die wir da im Kopf haben

Frage dich: Was muss ich? Was darf ich nicht? Womöglich musst du immer gewinnen, der Beste sein, die Schönste, erfolgreich? Oder musst du duch immer anstrengen? Kannst du nicht zur Ruhe kommen?

Es dauert eine Weile, um an diese Sätze heranzukommen. Eine häufige Reaktion sei: „Ach, ich muss gar nichts, mir ist doch alles erlaubt.“

Es braucht dann ein biografisches Reflektieren, um die Giftsätzen zu entlarven. Bei jemandem, der sehr viel arbeitet, fragt man sich zum Beispiel: „Wenn ich mir Ihr Leben so angucke und Ihnen zuhöre, könnte es sein, dass es in Ihrem Kopf den Satz gibt „Ich darf nicht ausruhen“?

 „Ich muss immer und überall erreichbar sein.“

„Ich darf nicht abschalten.“

„Ich kann nicht entspannen.“

  1. Schritt: Reflektieren

Reflektiere die Sätze, die du notiert hast, und machen sie dir bewusst, welche Bedeutung sie für dein Leben haben. Womöglich hast du sogar jemanden im Ohr, der diese Sätze zu dir gesagt hat – deine Mutter, dein Vater, Großeltern, Geschwister, ein Lehrer…

  1. Schritt: Umformulieren

Nun verändere die Satzanfänge folgendermaßen:

„Ich muss …“ wird zu „Ich entscheide mich dazu …“

„Ich darf nicht …“ wird zu „Ich erlaube mir nicht …“

„Ich kann nicht …“ wird zu „Ich möchte nicht …“

Bei dem Beispiel von oben könnte das etwa so aussehen:

„Ich muss immer und überall erreichbar sein.“ wird zu „Ich entscheide mich dazu, immer erreichbar zu sein.“

„Ich darf nicht abschalten.“ wird zu „Ich erlaube mir nicht, zu entspannen.“

„Ich kann nicht entspannen.“ wird zu „Ich möchte nicht abschalten.“

Das klingt im ersten Moment paradox. Das Umformulieren macht jedoch klar, dass es in meiner Hand liegt, mir zu überlegen, wie ich mein Leben gestalten will. Nicht die Stimmen von anderen – dem strengen Vater, der ewig unzufriedenen und fordernden Lehrerin – sollten deine Handlungen leiten. Die Anforderungen, die du an dich selbst stellst, darfst du auch selbst formulieren.

So entsteht ein Gefühl von mehr Flexibilität und Eigenverantrotung die man dann erlebt:„Ich darf Entscheidungen treffen. Ich darf mich von alten Mustern lösen.“

 

Was bewirkt die Übung?

„Die Übung öffnet den Blick für die Gnadenlosigkeit von bestimmten Überzeugungen und lässt Differenzierungen zu. Doch sie ist kein Zaubermittel, das auf einen Schlag alle Probleme löst.

Der Prozess, das eigene Verhalten dann auch wirklich zu verändern, sei komplex. Wenn zum Beispiel deutlich wird, dass man mit der elterlichen Botschaft aufgewachsen ist, immer die Beste zu sein und keine Schwäche zuzulassen, löst das erst einmal eine negative Emotion aus.

Die Giftsätze-Übung könne jedoch dabei helfen, innezuhalten und sich zu überlegen: Was möchte ich eigentlich? Will ich wirklich immer die Beste sein? Vielleicht habe ich wirklich diesen Ehrgeiz. Das ist etwas anderes, als die Beste sein zu müssen. Wenn ich selbst die Beste sein will, muss ich die negativen Folgen dieser Entscheidung auch tragen, dann darf ich nicht jammern, da ich mich bewusst dazu entschließe. Das hat auch seine guten Seiten. Disziplin, Vorbereitung, Fleiß, Vision, usw. sind angenehme Dinge, wenn ich sie mir positiv gestalte.

Vielleicht stellst aber auch fest, dass du nicht hinter deinen Giftsatz-Überzeugungen stehst. Dann kannst du dir eine andere Haltung erarbeiten. Bezogen auf das Beispiel oben etwa so: „Ich entscheide mich dazu, von acht bis achtzehn Uhr erreichbar zu sein, und informiere meine Mitarbeiter darüber.“ Oder „Ich erlaube mir, mein Handy am Wochenende auszuschalten.“

Wichtig ist, sich selbst gegenüber ehrlich zu sein. Diese „kleine“ Veränderung der Sätze hat jedoch eine große Wirkung, da es in meiner Verantwortung, und NUR in meiner Verantwortung liegt, wie ich die Dinge gestalten und handhaben möchte.

Gerne unterstütze ich deinen Weg, diese Giftsätze zu erkennen und für dich den passenden Weg zu finden

 

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